Orgelwerke

Bingen, Basilika St. Martin
Restaurierung und Translozierung der Hill/Conacher-Orgel (1851) | III/40, 4 Ext. + 6 Tr. | 2026
Die Ursprünge der Basilika in Bingen am Rhein reichen über 1000 Jahre zurück in das Mittelalter. Der heutige Bau stammt unter Einbeziehung älterer Teile aus unterschiedlichen Perioden der Gotik bis etwa 1510. Weitere relevante Ergänzungen und Umbauten fanden im 19. Jahrhundert statt. Die Kirche ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes sowie ein geschütztes Kulturgut nach der Haager Konvention.
Die letzten größeren Orgeln der Basilika ersetzten jeweils das Vorgängerinstrument. Neubauten erfolgten 1884 durch die Werkstatt Schlimbach, 1929 durch Klais und 1971 durch Ott. Das letztere Instrument wurde aufgrund technischer Mängel, Schimmelbefall und anderer nicht wirtschaftlich zu behebender Probleme im Jahr 2015 stillgelegt und zwei Jahre später abgebaut.
Bereits 2015 legte unsere Werkstatt im Rahmen einer Ausschreibung ein Angebot zum Bau einer neuen Orgel vor, das zwar den Zuschlag erhielt, aber wegen notwendiger Instandhaltungsmaßnahmen am Gebäude zunächst aufgeschoben und schließlich aus finanziellen Gründen nicht ausgeführt werden konnte. Um die bedeutende Kirche mit einer ihr angemessenen Orgel auszustatten, begab sich die Gemeinde auf die Suche nach einem geeigneten gebrauchten Instrument.
2025 ergab sich die Möglichkeit zum Erwerb einer historischen englischen Orgel, die zuletzt in der Kathedrale von Brügge/Belgien aufgestellt war. Dieses Instrument wurde ursprünglich im Jahr 1851 durch William Hill, einem der bedeutendsten englischen Orgelbauer des 19. Jahrhunderts für die Great Exhibition of South Kensington erbaut. 1957 erweiterte die Firma Peter Conacher (Huddersfield) dieses Instrument mit Teilen aus anderen Conacher-Orgeln (u.a. von 1921) für die Barnsley Methodist Church und lieferte den heute noch erhaltenen Spieltisch mit hufeisenförmiger Registeranordnung. David Miller installierte die Orgel 1990 in der Baptist Church in Sandy/Bedfordshire und veränderte dabei zwei Register. Nach dem Verkauf der Orgel renovierten die Firmen Škrabl und Andriesen 2011 das Instrument, bevor sie es in Brügge mit einem neuen Gehäuse aufstellten.
Unsere Aufgabe besteht darin, die Orgel in Brügge zu demontieren, nach Bingen zu transferieren, sie in diesem Zuge umfassend zu restaurieren und an die geänderten baulichen und akustischen Bedingungen anzupassen. Zu den auszuführenden Arbeiten gehört die Restaurierung von Pfeifenwerk, Spieltisch, Windladen und Windanlage.
Das solide Pfeifenwerk besteht aus Zinnlegierungen, stark bleihaltigen Pfeifen, Zink und Fichtenholz. Außer dem Stoßbalg sind vier weitere Bälge vorhanden, darunter ein Hochdruckbalg für die Hochdruckzungen und das Pedalwerk. Elektrik und Setzeranlage werden komplett erneuert. Die pneumatischen Teile werden entfernt und das System durch den Einbau von Schleifenzugmotoren und Ventilmagneten auf vollelektrische Traktur umgestellt. Die innere Anordnung der Werke mitsamt der Windladen, Bälge und Kanäle muss reorganisiert und das Lagerwerk dementsprechend neu konstruiert werden.
Ebenfalls erneuert wird die Prospektfassade, deren moderne Gestaltung auf dem Entwurf von L. Zickermann aus der ursprünglichen Neubauausschreibung von 2015 basiert und die asymmetrische Überwölbung mit der symmetrischen Emporen- und Fenstersituation in Einklang bringt.
Die qualitätvolle Intonation der Pfeifen wird lediglich der Raumakustik entsprechend sensibel angeglichen, so dass der grundsätzliche Charakter des Instruments erhalten bleibt. Die Disposition wird um einen Principal 16‘ erweitert, dessen Pfeifen den neuen Prospekt bilden.
Die Orgellandschaft im Kreis Mainz-Bingen wird mit dem transfereierten Instrument und seiner britischen Klangausprägung um eine seltene Facette bereichert, die bei Musikschaffenden und Orgelmusikbegeisterten gleichermaßen auf besonderes Interesse stößt.
Disposition
I. Choir C-a3
- Viola 8' (1990 teilweise ersetzt)
- Lieblich Gedact 8'
- Dulciana 8'
- Flute 4'
- Piccolo 2' (1990, ursprünglich Vox angelica 8')
- Clarinet 8'
Tremulant
Harmonic Tromba 8' (Tr. II. Tromba 8')
II. Great C-a3
- Contra Geigen 16'
- Large Open Diapason 8'
- Medium Open Diapason 8'
- Small Open Diapason 8'
- Hohl Flote 8'
- Dulciana 8'
- Principal 4'
- Harmonic Flute 4'
- Twelfth 2 2/3'
- Fifteenth 2'
- Mixture 4 rks.
- Contra Tromba 16'
- Tromba 8'
- Octava Tromba 4'
III. Swell C-a3
- Lieblich Bourdon 16'
- Violin Diapason 8'
- Rohr Flote 8'
- Viol d´Orchestre 8'
- Voix celestes 8' (ab c°)
- Gemshorn 4'
- Flute 4'
- Fifteenth 2'
- Mixture 3 rks.
- Contra Fagotto 16'
- Cornopean 8'
- Oboe 8'
- Clarion 4'
Tremulant
Pedal C-f1
- Harmonic Bass 32' (Ext. Bd. 16')
- Open Diapason 16'
- Principal 16' (2026, Prospekt)
Geigen 16' (Tr. II. Ctr. Geigen 16') - Bourdon 16'
- Octave 8' (Ext. Op. Diap. 16')
Principal 8' (Tr. II. Sm. Op. Diap. 8') - Bass Flute 8' (Ext. Bd. 16')
- Flute 4' (Ext. Bd. 16')
Trombone 16' (Tr. II. Ctr. Tromba 16')
Tromba 8' (Tr. II. Tromba 8')
Clarion 4' (Tr. II. Oct. Tromba 4')
Koppeln:
Choir to Pedal, Swell to Pedal, Great to Pedal,
Swell to Choir, Choir Sub Octave, Choir Octave,
Choir to Great, Swell to Great, Swell Sub Octave to Great, Swell Octave to Great,
Swell Sub Octave, Swell Octave.