Orgelwerke

Bad Salzuflen, Liebfrauenkirche

Renovierung und Vollendung der Breil-/Steinmann-Orgel (1962/1984) | IV/43 | 2019

Mit dem Bau der Liebfrauenkirche in Bad Salzuflen entstand 1958 ein klar gegliederter und heller Sakralraum. Das überhöhte Hauptschiff mit flacher Holzdecke wird flankiert von sehr niedrigen und schmalen Seitenschiffen, die in querhausartige raumhohe Nischen mit ebenso hohen Fenstern übergehen. So entsteht vor der gewölbten Apsis ein lichtdurchfluteter, optisch weitläufig-offener Bereich.

Die erste Orgel errichtete die Firma Franz Breil (Dorsten) im Jahr 1962 in einer heute geschlossenen Quernische links von der Empore. Von den geplanten 26 Registern wurden bis 1970 nur 18 realisiert. Zu einer Fertigstellung kam es jedoch nicht mehr.

1984 baute die Firma Steinmann auf der rückwärtigen Empore vor dem großen Westfenster eine neue Orgel mit dem noch heute bestehenden Gehäuse als ersten Bauabschnitt eines geplant 3-manualigen Instrumentes, in welches das Pfeifenwerk und einige technische Komponenten der Breil-Orgel übernommen wurden. So blieb aber auch diese Orgel mit ihren 24 Registern (HW, RP, Ped) und dem leeren Schwellwerk 35 Jahre lang unvollendet.

Der Prospekt besteht aus symmetrisch dem Werkprinzip entsprechend aufgeteilten, schmucklosen und vorne offenen, ähnlich breiten Gehäusekästen. Diese sind innen rot gestrichen und verleihen gemeinsam mit den blau schattierten Schwelljalousien den ansonsten weiß gefassten Oberflächen etwas farbliche Abwechslung. Die vertikal angeordneten Manualwerke sind 3-achsig angelegt, seitlich davon hängen jeweils zwei 16‘-Pedalpfeifenfelder. Im Sockel des Rückpositivs ragt ein Zungenregister mit trompetenförmigen Bechern horizontal in den Raum hinein. Der nüchtern-klare Gesamteindruck fügt sich passend in die Kirchenarchitektur ein.

Hauptaufgabe des Renovierungsprojektes war neben der technisch-klanglichen Überholung vor allem die Vervollständigung der Orgel durch den Einbau bislang fehlender Register und die Erweiterung um das vorgesehene Schwellwerk.

Im Einzelnen wurden 4 vakante Register im Pedal, darunter die Zungen, ergänzt. Im Hauptwerk kam anstelle eines Fabertons ein 8‘-Streicher hinzu, die gemischten Stimmen erhielten eine neue Chorzusammenstellung und den Dulcian 16‘, welcher zu einem 8‘ gerückt in das Rückpositiv wanderte, ersetzt eine neue Trompete 16‘. Der Prinzipal 4‘ im Rückpositiv wurde ebenfalls neu gebaut, während der bestehende zu einem Prästant 8‘ umgebaut wurde. Die vorher zu aufdringliche Horizontaltuba wurde auf niedrigeren Winddruck gestellt. Zudem erhielt sie neue, deutlich dünnere Zungenblätter und belederte Kehlen. Das Schwellwerk wurde inklusive der zugehörigen mechanischen Traktur bis auf die Schwellklappen und die alte Vox humana aus dem Rückpositiv komplett neu gebaut. Als spezieller Zusatz wurde im Pedalgehäuse auf elektrisch angesteuerten Windladen ein Violon 16‘ als floating division eingebaut, der frei an alle Werke ankoppelbar ist. Mit dieser vielseitig weiter entwickelten, fast doppelt so großen Disposition stehen dem Organisten umfassende Registrierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Darüber hinaus wurde der Altbestand einer Nachintonation unterzogen, so dass sich schließlich ein einheitlich abgerundetes Klangbild auf deutlich höherem Niveau voll Fülle und Kraft, Farbe und Volumen ergibt, ohne den ursprünglichen Intonationscharakter zu verleugnen.

Im technischen Bereich haben wir die bestehenden Windladen grundlegend überholt und abgedichtet. Die alten Breil´schen Schleifenzugmagnete (HW) wurden durch neue ersetzt. Auch die Traktur bedurfte verschiedener Korrekturen, wobei einige Komponenten ausgetauscht werden mussten. Neu zu ergänzende Balanciers für die größeren Ventile, neue Regulierungsvorrichtungen, sowie masse- und reibungsreduzierende Maßnahmen führen zu einem leichtgängigen und artikulationsfördernden Spielgefühl.

Die Manualzuordnung wurde einem gebräuchlicheren Standard angepasst: I. HW, II. RP, III. SW und ein Koppelmanual als IV. (ehemals I.) mit zwei elektrisch angesteuerten Zusatzregistern. Die zugehörigen Manualkoppeln wurden elektrifiziert. Die Steuerung geschieht über ein neues BUS-System, in das eine ebenfalls neue Setzeranlage eingebunden ist. Die gesamte Elektrik ist auf normgerechte Sicherheitsstandards gebracht und neu verkabelt worden.

Die Windversorgung litt bisher unter hörbarer Instabilität. Durch den Einbau zweier neuer Gebläse, Überarbeitung des gesamten Systems mit Erneuerung windregulierender Bauteile und direktem Anschluss windfressender Pfeifen mittels hinzugebauter Moteurs erhielt die Orgel ein stabiles Windsystem, das bei vollgriffigem Spiel sogar einen leichten Druckanstieg bewirkt.

Schließlich wechselte im Zuge der erforderlichen Neuanordnung der sich nun selbständig bewegenden Registerwippen das Schalttableau aus spielpraktischen Gründen von der rechten auf die linke Spieltischseite.

Disposition

I. Hauptwerk C-g3

  1. Pommer 16‘   Br
  2. Prinzipal 8‘   Br
  3. Grobgedackt 8‘   Br
  4. Viola da Gamba 8’   (statt Faberton 2f. 2/3’) Sp
  5. Oktave 4‘   Br
  6. Flöte 4‘   St
  7. Superoktave 2‘   Br
  8. Kornett 2-3f. 2 2/3’   (vorher Sesquialtera 2f.) Br/St/Sp
  9. Mixtur 4f. 2‘   (vorher Hintersatz 4f.) St/Sp
  10. Trompete 16’   Sp
  11. Trompete 8’   Gi
    Violon 16'  TM IV.
    Tuba 8'  TM IV.

II. Rückpositiv C-g3

  1. Prästant 8‘   (vorher 4‘, C-G kombiniert mit Rohrflöte) St/Sp
  2. Rohrflöte 8‘   Br
  3. Oktave 4‘   Sp
  4. Gedacktflöte 4‘  Br
  5. Quintade 2 2/3‘   Br
  6. Gemshorn 2‘   Br
  7. Sifflöte 1 1/3’   Br
  8. Scharff 4f. 1’   Br
  9. Dulcian 8’  (vorher 16‘, aus HW) Gi/Sp
    Tremulant    (druckerniedrigend)
    Violon 16'  TM IV.
    Tuba 8'  TM IV.

III. Schwellwerk C-g3

  1. Geigenprincipal 8’   Sp
  2. Konzertflöte 8’   Sp
  3. Lieblich Gedackt 8‘   Sp
  4. Gambe 8‘   Sp
  5. Vox coelestis 8‘   Sp
  6. Fugara 4’   Sp
  7. Querflöte 4’   Sp
  8. Echocornett 2f. 2 2/3’   Sp
  9. Flauto piccolo 2’   Sp
  10. Progressio 3-5f. 2'  Sp
  11. Trompete 8’   Sp
  12. Oboe 8’   Sp
  13. Vox humana 8’   (aus RP) Gi
    Tremulant   (druckerhöhend) Sp
    Violon 16'  TM IV.
    Tuba 8'  TM IV.

IV. Koppelmanual / Solo C-g3

  1. Violon 16’   Sp
  2. Tuba 8'  (horizontal am RP)  Gi/Sp

Pedal C-f1

  1. Prinzipal 16’   St
  2. Subbass 16’   Br
  3. Quintbass 10 2/3’   Sp
  4. Oktave 8’   Br
  5. Gedacktbass 8’   Sp
  6. Oktave 4’   Br
  7. Posaune 16’   Sp
  8. Trompete 8’   Sp
    Violon 16'  TM IV.
    Tuba 8'  TM IV.


Koppeln: II-I, III-I, III-II, Sub III, II-IV, III-IV, Sub IV, Super IV, I-P, II-P, III-P, Super III-P

Setzeranlage
Crescendo
3 feste Kombinationen (Organo Pleno, Streicher, Tutti)
Zimbelstern

Br = Breil (1962, 1970)
Gi = Giesecke
St = Steinmann (1984)
Sp = Späth (2019)

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